Forschung am Profilbereich Osteuropa
Die Osteuropaforschung an der Universität Basel bildet einen sichtbaren, in der Universität wie auch national und international vernetzten Profilbereich. Im Kern wird dieser vom Slavischen Seminar einerseits und von der Professur für Osteuropäische Geschichte andererseits getragen. In der Forschung gibt es grosse Schnittbereiche, Osteuropäische Geschichte und Slavistik arbeiten eng zusammen und sind in verschiedene Forschungszusammenhänge eingebunden. Gemeinsam werden auch immer wieder aktuelle Problemfelder bearbeitet. Schwerpunkte der Slavistik liegen etwa in Fragen des kulturellen imperialen Erbes und des Nationalen, in der literarischen Raumforschung bzw. der transnationalen Erzählforschung, im osteuropäischen Film und in anderen Aspekten slavischer Kulturen v.a. des 19. bis 21. Jahrhunderts. In der Osteuropäischen Geschichte beschäftigt man sich vorwiegend mit Russland bzw. der Sowjetunion und mit Ostmitteleuropa derselben Periode; inhaltlich stehen Fragen der Imperiums‑, Raum‑, Infrastruktur‑, Erinnerungs‑ und Fotografiegeschichte sowie der jüdischen Geschichte im Mittelpunkt. Seit 2017 wird das Forschungsnetzwerk „Ukrainian Research in Switzerland“ koordiniert. Enge Kooperationen bestehen mit den jeweiligen Nachbardisziplinen in Geschichte und Philologie, aber auch mit dem Kompetenzzentrum Kulturelle Topographien, dem Europa-Institut, dem Zentrum für Jüdische Studien, dem Seminar für Nahoststudien, dem Kunsthistorischen Seminar oder der Kulturanthropologie. Ein wichtiges Anliegen des Profilbereichs stellt die Vermittlung von Forschungserkenntnissen besonders zu aktuellen Themen an eine universitäre und ausseruniversitäre Öffentlichkeit dar.
Forschungsprojekte am Profilbereich Osteuropa
USJRP Projekt: "Testing the Soviet Utopia: The Social History of Technologies in Ukraine, 1922-1991"
In der Sowjetunion wurden alle Produktionsanlagen verstaatlicht und die Entwicklung und Verbreitung von technischen Geräten zentral geplant. Obwohl die Entwicklung von Technologien für den Alltag der Menschen in der Sowjetunion globale technologische Trends widerspiegelte, entwickelten die Sowjetbürger:innen spezifische Formen der Nutzung, Modifikation und Reparatur dieser technischen Geräte.
Das Projekt untersucht Technik-Erfahrungen ukrainischer Nutzer:innen in verschiedenen Bereichen von den 1920er bis zu den 1980er Jahren: Amateurfotografie und Heimlabore, Tonbandgeräte und Musikanlagen für den Heimgebrauch, Fahrräder, Motorräder, Autos, Eisenbahnen und biomedizinische Technologien im Gesundheitswesen. Halboffizielle Praktiken der Technologienutzung halfen Bürger:innen, Lücken in der Versorgung mit staatlich produzierten Gütern zu schließen und riefen manchmal Unzufriedenheit und Widerstand hervor. In Teilprojekten wird untersucht, wie unterschiedliche Technologien das soziale und kulturelle Leben in der sowjetischen Ukraine beeinflusst haben, wobei lokale, transnationale und globale Kontexte berücksichtigt werden. Die Metapher des "Testens" im Projekttitel zielt zum einen auf das Experimentieren der sowjetischen Regierung mit technologischen Systemen ab, und zum anderen auf die Rolle der Bürger:innen bei der Anpassung und Reparatur staatlich produzierter technischer Geräte.
Das Projekt eröffnet neue Perspektiven auf die sozialen und kulturellen Auswirkungen der Verbreitung und Nutzung moderner Technologien im Alltag der Menschen in der Sowjetunion, ein Gebiet, das in der Wissenschafts- und Technologieforschung noch wenig erforscht ist. Durch die Untersuchung der Schnittstelle zwischen staatlicher Politik, Alltagsleben und technologischen Systemen trägt das Projekt zu einem besseren Verständnis bei, wie moderne Technologien soziale Strukturen, Identitäten und Widerstand formen.
SNF-Prima Projekt: "Red Tower of Babel: Soviet minorities experiment in interwar Ukraine"
This project aims to provide a unique account of the Soviet minority experiment as designed and implemented during the 1920s-early 1930s within the borders of Soviet Ukraine. Soviet Ukraine served as a trendsetting laboratory for Soviet minorities policy Union-wide. Unlike most studies on the Soviet nationality policy, this project makes Soviet ethnic minorities its primary focus, scrutinising the Soviet minority experiment at various levels of power, from top to bottom. At the top level, it looks at the state strategies to organise the society along the ethnic lines; at the middle local level it studies how local party officials and minority specialist translated the state-imposed vision of ethnic proliferation to the local conditions. Lastly, at the bottom level it looks at the way education and cultural workers adapted and carried out those programmes on the ground, and investigates how people digested the new ethnic regime and adapted (if at all) their everyday life to the new expectations. The primary material gathered by the project, combined with its theoretical framing and comprehensive perspective, will form a significant and original contribution to the historiography of the Soviet and Eastern European interwar-period studies.
Study Group for Minority History
The Study Group for Minority History (SGMH) is a forum devoted to the study of minority groups in the national and regional histories of Central, Eastern and Southeastern Europe from the Napoleonic Wars to the contemporary past. Its key aim is to assist scholars, currently working in this area of inquiry by fostering international networks to help promote and share their research. It also seeks to encourage collaborative forms of scholarship across different aspects of minority history such as the evolution of identity, diaspora-formation, inter-communal engagements, the development of cultural institutions, relations with states and state actors and the impact of regional conflicts. In addition, the SGMH aims to encourage the use of new methodologies, interdisciplinary scholarly approaches and theoretical frameworks in the study of minority groups.
Podcast-Series 'Eastern Europe's Minorities in a Century of Change'
"Eastern Europe's Minorities in a Century of Change", a podcast series on the history of minorities and minority experiences in twentieth-century Central and Eastern Europe prepared by the Study Group for Minority History. The co-conveners of the Study Group are Olena Palko (Birkbeck), Samuel Foster (University of East Anglia) and Raul Cârstocea (Maynooth University).
The podcast is available on Spotify, Apple Podcasts, and SoundCloud.
SNF-Projekt: Gender and nation in the biographical interpretations of Lesya Ukrainka’s life and works: Ukraine-Russian Empire-USSR, 1898-2022
Lesya Ukrainka (1871-1913) is undoubtedly the most significant figure in Ukrainian women’s literature: her works are full of both mythical and historical heroines torn between tradition and modernity; she wrote comparative studies on the European women’s literature of her time; and she has played (and still plays) a major role in feminine and Ukrainian emancipations.
Due to her emancipatory ideas, Ukrainka’s works enjoyed unparalleled popularity during the Russian Empire, in the USSR and in post-1991 Ukraine. But they have been the subject of contradictory interpretations.
The aim of this project is therefore to understand how biographical studies of Ukrainka have transformed her into a mythical figure who is a projection of the dominant ideologies of the three aforementioned eras.
SNF-Ambizione Projekt: Managing Trade: Infrastructure and Economic Practices in the Port of Odessa (1794–1905)
The project of Boris Belge explores the origins of the intense competition for trade by focusing on the Russian Empire, which in the nineteenth century literally fed the world: Its principal port, Odessa, enabled Russia to serve as the biggest global exporter of wheat, which propelled it to a dominant economic and political status within the Russian Empire, while the city and port of Odessa itself evolved into a hub of global communication and trade. The attention given to the history of the city by scholars in the field stands in sharp contrast to the virtual neglect of the port’s history.
Informationen zu den einzelnen Forschungsprojekten am Departement Sprach- und Literaturwissenschaften finden sich in der Forschungsdatenbank. Das edoc Repository der Universität Basel ermöglicht die Volltextsuche für viele abgeschlossene Forschungsprojekte.
Revolution in der Dunkelkammer, oder Fotogeschichte des Aufstandes
Das Forschungsprojekt untersucht die folgenreichen Auswirkungen von Fotografie, insbesondere Carte de visite bzw. Visitenkartenporträts auf den Bereich des politischen Widerstands und auf Vorstellungen von Revolution. Den Forschungsgegenstand bildet ein umfangreiches Korpus von Porträtfotos osmanischer, zentral- und südeuropäischer Widerstandskämpfer und Revolutionäre des 19. Jahrhunderts. Anhand ihrer wird das Wechselverhältnis von politischer und medialer Revolution im Zeitalter der frühen Fotografiegeschichte erörtert und historische Umwälzungsprozesse in ihren sozialen und medialen Dynamiken beleuchtet. Dieser interdisziplinäre Zugriff öffnet schliesslich den Blick für die vielfältigen Verflechtungsebenen revolutionärer Bewegungen in Europa sowohl in regionaler wie auch in transnationaler Perspektive.
Erzählen jenseits des Nationalen. (Post-)Imperiale Raumstrukturen in der Literatur Osteuropas
Das Projekt stellt die Frage nach vergleichbaren Raumstrukturen im kulturellen Gedächtnis in den postimperialen bzw. postsozialistischen Regionen Mittel-, Ost- und Südosteuropas, wobei sich der Imperiumsbegriff auf übernationale Gebilde in Osteuropa (Habsburger Monarchie, Osmanisches und Russisches Reich, Polen-Litauen u. a.) wie auch auf die sowjetische Einflusssphäre und Jugoslawien bezieht. Von besonderem Interesse sind dabei Phänomene, die jenseits nationaler Grenzziehungen verlaufen und in jüngster Zeit wieder zunehmend ins Blickfeld geraten.
Off- and On-Screen
The ‘New Woman’ in the Cinema of the Russian Empire
Early cinema is closely linked to the changes in the role and image of women. This is also the case in the Russian Empire, where cinema has gained an important part in women's lives from the early 1900s onwards. Behind the scenes, women worked as professionals in various fields, from scriptwriting to directing to theatrical distribution; on screen, they would often play the main characters and their star performances could cast a lasting spell on the audience; last but not least, women were also deeply engaged with and influenced the development of narrative cinema in their roles as viewers, critics and fans.
By exploring the mentioned areas more profoundly, the international conference aims to develop new perspectives on the era of early Russian cinema as well as on women's self-liberation in the context of the emergence of the new medium of film.
Einzelprojekte und Initiativen im Bereich Osteuropäische Geschichte
Personen | Projekttitel |
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Boris Belge | Umschlagorte. Eine russische Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Häfen und Märkten vom 17. bis ins 19. Jahrhundert. |
Charlotte Henze | Russia’s Imperial Border in Finland, 1701-1815 |
Alexis Hofmeister | Selbst Geschichte schreiben. Jüdische autobiographische Praxis in den Imperien des östlichen Europa |
Botakoz Kassymbekova | Extraordinary lives in Ordinary Times. Ageing after Lenin and Stalin in the Soviet Union |
Barbara Martin | Finding Faith in an Atheist Land: Russian Orthodox Intelligentsia and the Late Soviet National-Religious Revival |
Olha Martynyuk | |
Olena Palko | Red Tower of Babel: Soviet minorities experiment in interwar Ukraine |
Nachname | Vorname | Projekttitel | Betreuung | Abschlussjahr |
Baumann | Fabian | Imperium, Nation und Familie: Die Kiever Familien Šul'gin/Šul'hyn und die Entstehung des russisch-ukrainischen Gegensatzes | Schenk, F. Benjamin | 2020 |
Cordin | Carla | Anatolij F. Koni (1844-1927): Zwischen Recht, Macht und Volk. Die autobiographische Praxis eines liberalen Juristen im späten Zarenreich und früher Sowjetunion | Schenk, F. Benjamin | 2017 |
Elias | Laura | Der ethnographisch-anthropologische Blick: Photographie und die visuelle Erforschung Zentralasiens im Russländischen Imperium | Schenk, F. Benjamin | 2020 |
Fehrenbach | Lenka | Industrielle Bilder. Die Repräsentation der Industrialisierung in den fotografischen Bilderwelten des Zarenreichs | Schenk, F. Benjamin | 2017 |
Freiermuth-Samardžić | Nadine | Mediale Kriegsikonographien. Der Bosnienkrieg 1992-1995 in Pressefotografien deutscher, österreichischer und schweizerischer Printmedien | Schenk, F. Benjamin | 2019 |
Hasselmann | Anne | Wie der Krieg ins Museum kam. Die Gestaltung der Einnerung in den sowjetischen Museen Moskau, Minsk und Tscheljabinsk | Schenk, F. Benjamin | 2019 |
Hoenig | Bianca | Eine mitteleuropäische Landschaft: Die Tatra als umstrittener Naturraum und grenzüberschreitendes Nationalsymbol | Schenk, F. Benjamin | 2016 |
Jeske | Martin | Ein Imperium wird vermessen: Kartographie, Wissenstransfer und Raumerschliessung im Zarenreich (1797-1919) | Schenk, F. Benjamin | 2020 |
Mayoraz | Sandrine | Die jüdischen Arbeiterunruhen in den nordwestlichen Gouvernements des Ansiedlungsrayons von 1881 bis 1907 | Schenk, F. Benjamin | 2018 |
Mijnssen | Ivo | Das Gedächtnis der Heldenstadt: Die Nachkriegsgeneration zwischen Alltag, Privileg und Pflicht | Schenk, F. Benjamin | 2015 |
Wespe | Aglaia | Gender Images. Alltag und Geschlecht in Leningrader Dokumentarfilmen | Haumann, Heiko | 2013 |
Personen | Projekttitel |
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Frithjof Benjamin Schenk Maurus Reinkowski Robert Luft Martin Aust |
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Frithjof Benjamin Schenk Laura Elias Lenka Fehrenbach | |
Barbara Martin | SNF-Ambizione Projekt: Finding Faith in an Atheist Land: Russian Orthodox Intelligentsia and the Late Soviet National-Religious Revival |
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Es ist ein besonderes Glück, dass eine so umfangreiche Postkartensammlung wie die der russischen Familie Radzievsky den Weg in den Besitz des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte der Universität Basel gefunden hat.
Vera Radzievska suchte und kaufte die alten Postkarten über viele Jahre hinweg auf unterschiedlichen Moskauer Flohmärkten. Zusammen mit ihrem in Paris lebenden Sohn, Pavel Radzievsky, hegte sie ein reges Interesse an alten Büchern und historischen Gegenständen. Die Postkartenraritäten, so ihr gemeinsamer langjähriger Wunsch, sollten einst die Grundlage für eine Ausstellung bilden. Pavel Radzievsky war vermutlich Anfang der 1980er Jahre aus Moskau nach Frankreich emigriert und liess sich in Paris als Antiquar nieder. Er kaufte Bücher von russischen Emigranten auf, zum Teil Erstausgaben und Raritäten, die im Exil in Berlin, Prag oder Paris erschienen waren. Gleichzeitig versorgte ihn seine Mutter regelmässig mit antiquarischen Buchlieferungen aus Russland. Hierüber entstand schliesslich die enge Verbindung der Radzievskys zur Basler Universitätsbibliothek: Erstmals trat der Antiquar im Jahre 1986 aufgrund der weit über die Grenzen der Schweiz hinaus bekannten Sammlung des Basler Theologen Fritz Lieb an die Universitätsbibliothek heran und bot ihr in Ergänzung zum Basler Marina Zwetajewa-Archiv drei Erstausgaben mit Autographen der Autorin an. In den darauffolgenden Jahren kam es immer wieder zu wertvollen Bücherankäufen durch die Bibliothek. Nach Pavels frühem Tod Mitte der 1990er Jahre war es seine mittlerweile aus Russland emigrierte Mutter, die die Reisen nach Basel unternahm. Anlässlich ihres letzten Besuchs 1998/99 schenkte sie Dr. Helena Kanyar-Becker, die als Fachreferentin für Slavistik in der Universitätsbibliothek über Jahrzehnte für die Aufkäufe der antiquarischen Bücher zuständig war, ihre wertvolle Postkartensammlung, in der Hoffnung, dass sie einmal Gegenstand einer Ausstellung werden würde.
Frau Kanyar-Becker gab diese Sammlung von insgesamt 409 Einzelstücken an den Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte weiter. Vom 12. Dezember 2009 bis zum 26. März 2010 wurde die Ausstellung „Liebe Grüsse aus Moskau. Eine Postkarten-Reise ins Zarenreich“ dann schliesslich innerhalb der Räume der Universitätsbibliothek Basel realisiert. Sie wurde unter der Leitung Professor Heiko Haumanns und dem damals als Kuratoren fungierenden Assistenten Jörn Happel unter Mitarbeit von Lehrstuhlmitgliedern und einigen Studierenden erarbeitet. Der Erfolg der Ausstellung war so groß, dass sie daraufhin auf Wanderschaft ging und ebenfalls in Astano (Tessin) und in Kiel gezeigt wurde.
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Am 9. April 2017 wurde zum ersten Mal überhaupt eine Kooperations-Veranstaltung der Lehrstühle für Osteuropäische Geschichte der Universitäten Basel, Bern und Zürich durchgeführt. Anlässlich des 100. Jahrestages der Abfahrt des sogenannten „Lenin-Zuges“ von Zürich nach Petrograd wurde am 9. April 2017 in Zürich in verschiedenen Formaten ein öffentlicher Dialog über Geschichte geführt.
Interessierte Personen waren eingeladen, an den Kurzvorträgen der LehrstuhlinhaberInnen teilzunehmen und sich in der anschliessenden Diskussionsrunde einzubringen. Das Publikum interessierte besonders die Frage, wie die Geschichte in Russland und Europa verlaufen wäre, wenn Lenin am 9. April 1917 nicht in Zürich den Zug nach Petrograd bestiegen hätte. Des Weiteren fand ein ebenfalls sehr gut besuchtes Podiumsgespräch mit renommierten Historikern aus Russland und Deutschland statt, an dem über aktuelle geschichtspolitische Fragen und die Bedeutung der Russischen Revolution gesprochen wurde. Die Gespräche rückten die Aktualität von historischen Fragen in den Fokus. Unter anderem wurde über die ambivalente Bedeutung der Russischen Revolution zwischen Apokalypse und Utopie diskutiert. Ein Ensemble des Berner StudentInnen Theaters inszenierte im Landesmuseum eindrücklich Zeitdokumente wie Erinnerungstexte von Mitreisenden und verschiedene literarische Verarbeitungen der Zugfahrt. An den Veranstaltungen, die in den Räumlichkeiten des Landesmuseums stattfanden, nahmen insgesamt über 450 Personen teil.
Den Höhepunkt des Tages bildete die Uraufführung des Stücks „Zürich – Petrograd einfach“ des Ensembles Thorgevsky & Wiener. Die Darbietung fand in einem historischen Zug statt, der die Schweizer Strecke (Zürich-Schaffhausen) von Lenins Reise abfuhr. Für eine knappe Stunde war der Zürcher Hauptbahnhof eingenommen vom Geist der Revolution: Nicht nur die Anzeigetafel verwies auf den Extrazug, PassagierInnen und PassantInnen wurden auch per Lautsprecher-Durchsage darauf aufmerksam gemacht. Bereits um 15.05 Uhr konnten die über 300 versammelten Mitreisenden sowie zahlreiche weitere Interessierte auf Perron 8 einer „Rede Lenins“ beiwohnen – im Hintergrund die Dampflokomotive mit Jahrgang 1904 inklusive historischem Rollmaterial. Um 15.29 schliesslich setzte sich der Zug in Bewegung – 100 Jahre nach der Abfahrt des Zuges mit den RevolutionärInnen an Bord.
Im restlos ausverkauften Zug durften die Passagiere einer einzigartigen Inszenierung der Zugfahrt und ihrer Folgen beiwohnen. Das Theaterstück trug seinen Teil zum multiperspektivischen Veranstaltungstag bei, an dem eine breite Palette an unterschiedlichen Sichtweisen auf die historischen Gegebenheiten Platz fand.
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Fritz Platten ist eine der umstrittensten politischen Figuren der Schweizer Geschichte im 20. Jahrhundert. Für die einen ist er ein legendärer Schweizer Kommunist und ein Brückenbauer zwischen Ost und West. Andere sehen in ihm einen verblendeten Anhänger Lenins und Stalins, der in der Schweiz zurecht weitgehend in Vergessenheit geriet. – Wer aber war Fritz Platten und wie lassen sich die unterschiedlichen Interpretationen seiner Person erklären? Diesen Fragen widmete sich die Ausstellung „Auf der Suche nach Fritz Platten“, die von Oktober 2021 bis Februar 2022 in der Universitätsbibliothek Basel zu sehen war.
Kooperationsprojekt mit der Online-Plattform dekoder.org und der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen
Das Ziel des Projekts war der Aufbau einer innovativen digitalen Schnittstelle zwischen wissenschaftlicher Osteuropaforschung und Journalismus, die auch als Vorbild für andere gesellschaftlich relevante Themen diesen soll. Dafür wurden neue wissenschaftsbasierte Online-Formate entwickelt, Netzwerkstrukturen zwischen Wissenschaft und Medien auf- bzw. ausgebaut und die mediale Vermittlungskompetenz von Studierenden gefördert.
In den drei Semestern (FS 20, HS 20 und FS 21) haben wir am Profilbereich Osteuropa gemeinsam mit Studierenden, Journalist*innen und Kolleg*innen anderer Schweizer Universitäten diskutiert, in welchen Formaten wissenschaftsbasierter „Content“ heute mediengerecht vermittelt werden kann.
Den Auftakt bildete im Frühjahrsemester 2020 ein Forschungsseminar von Prof. F. Benjamin Schenk zum Thema „Imperium, Geschichtspolitik und Erinnerungsorte im heutigen Russland“. Das Seminar war verknüpft mit dem Methodenworkshop (Übung) von Dr. Leonid Klimov „Von der Wissenschaft zum Online-Dossier. Historische Area Studies im Internetzeitalter 2.0“.
Ziel der beiden Lehrveranstaltungen war die gemeinsame Erarbeitung eines Konzepts für ein Dossier bzw. „multimediales Special“ zum Thema „Imperium, Geschichtspolitik und Erinnerungsorte im heutigen Russland“ auf der Plattform dekoder.org. Für die kommenden Semester sind weitere projektbezogene Lehrveranstaltungen und Aktivitäten am Profilbereich Osteuropa geplant.
Das Projekt wurde in Kooperation mit der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und dem Online-Medium dekoder.org durchgeführt. Finanziell unterstützt wurde das Vorhaben von der Stiftung für Medienvielfalt (Basel) und der Volkswagen Stiftung (Hannover).
Als Ergebnis des Projekts ist die Webseite "Rund um den Kreml" entstanden und ist Teil der 'Specials' von dekoder.org. Der virtuelle Reiserführer entschlüsselt Geschichtspolitik im städtischen Raum und beantwortet Fragen wie: Wie wird in Russland mit Geschichte Politik gemacht? Welche Orte und Themen spielen dabei eine Rolle? Und welche Botschaften werden transportiert?
Mit den Briefen von Alfred Gysin an seine Familie in Liestal liegt ein unveröffentlichtes Quellenkorpus vor, das sich bislang in Privatbesitz befand und eine einmalige Perspektive auf die Lebenswelt des Donbas im späten Zarenreich ermöglicht. Unter der Leitung von Prof. Dr. Frithjof Benjamin Schenk transkribierten Studierende das Briefmaterial und bereiteten es für eine wissenschaftliche Edition vor. Ausgehend von den Wahrnehmungs- und Ordnungskategorien des jungen Schweizer Auswanderers erarbeiteten sie thematische Essays, in denen die Briefe in einen grösseren historischen Kontext eingeordnet wurden.
Alfred Gysin wurde am 1. April 1883 als zweitältestes Kind von Alfred und Sophie Gysin-Brodbeck in Liestal geboren. Als ausgebildeter Primarlehrer und Student der Universität Basel machte sich Alfred Gysin im Jahr 1906 auf den Weg von Basel nach Ekaterinoslav im Gebiet der heutigen Ukraine, um als Hauslehrer bei einer Fabrikantenfamilie zu unterrichten. Während seines Aufenthalts lernte er die russische Sprache, musizierte in verschiedenen Orchestern und träumte davon, einen landwirtschaftlichen Betrieb in Südrussland aufzubauen. Nach knapp einem Jahr kehrte er in die Schweiz zurück, wo er das Mittelschullehrerdiplom erwarb und als Lehrer zuerst im Kanton Schaffhausen und später an der damaligen Mädchensekundarschule in Basel unterrichtete. – Alfred Gysin schrieb während seines Aufenthalts in Russland regelmässig Briefe an seine Familie. Seine Äusserungen zeugen von seiner differenzierten Beobachtung der politischen Situation in Russland um 1906/07 sowie der multikonfessionell und polyethisch geprägten Industrieregion des Donbas. Auffallend oft thematisiert der bekennende Abstinenzler Alfred Gysin den Alkoholkonsum der Menschen in seiner Umgebung. Die Abstinenzbewegung in der Schweiz und Russland ist eines der Themen, das Studierende im Rahmen des Editionsprojekts historisch beleuchtet haben. Weitere Essays befassen sich mit der Geschichte des Donbas im frühen 20. Jahrhundert, der Berichterstattung über Russland in Schweizer Zeitungen, der Emigration von Schweizer LehrerInnen ins Zarenreich und der Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland um die Jahrhundertwende.
Projektleitung: F. Benjamin Schenk, Angela Boller, Anne Hasselmann
Lehrveranstaltung im Rahmen des Projekts: «Briefe aus Russland. Selbstzeugnisse eines Schweizer Auswanderers aus dem frühen 20. Jahrhundert» (FS 2018)
Beteiligte Studierende: Meret Dräyer, Julia Eberle, Oriana Fasciati, Lena Friedrich, Jonas Hinck, Sara Jevtic, A. Cristina Münch, Jorian Pawlowsky, Magdalena Polivka, Melina Schellenberg, Claire M. Schneemann, Jael Sigrist, Oliver Sterchi, Maria Stikhina, Luca Thoma, Marcel Zimmermann
Öffentliche Präsentation des Forschungsvorhabens: «Uni am Markt», u.a. am 26. September 2018 auf dem Wochenmarkt in Liestal.
Als Ergebnis des studentischen Editionsprojekts ist das Buch "Russland von ferne oder aus der Nähe ansehen ist immer noch zweierlei" entstanden. Es wurde beim Christoph Merian Verlag im Mai 2021 veröffentlicht. Im November 2021 fand im Rahmen des internationalen Literaturfestivals 'BuchBasel' eine Lesung mit dem Herausgeber Prof. Dr. F. Benjamin Schenk statt. Die Publikation wurde zudem von der Stiftung Buchkunst im Wettbewerb um die schönsten Bücher 2021 mit einer Silbermedaille ausgezeichnet!
Einzelprojekte und Initiativen am Slavischen Seminar
Personen | Projekttitel | ||
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Anna Hodel | Postdramatik und die Poetik und Politik der Räume im postsovjetischen und postjugoslavischen Theaterschaffen der 1990er bis 2010er Jahre | ||
Gunnar Lenz | Der realistische Pakt - Strategien der Authentizitätserzeugung in der slavischen Erzählliteratur des 19. Jahrhunderts |
Personen | Projekttitel |
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Anna Hodel | Landschaften in Bewegung. Identitäten und imperialer Raum in den südslavischen Literaturen des narodni preporod |
Olga Krutowski | Glücksspiele und die Wahrnehmung von Spieler und Spielfigur in der russischen Literatur der Spätromantik und des Realismus |
Gunnar Lenz | Jenseits des Sozrealismus. Modelle der sowjetischen Literatur zwischen 1928 und 1953. |
Clea Wanner | Der neue kinematographische Mensch. Körperästhetiken im frühen russischen Film |